• Tajikistan


    "Do little things now, and big things will come to you" 

    29.05 - 13.06.2013
    gefahrene Kilometer:3.880,54km

    Tajikistan – für mich kein Land sondern ein riesiges Gebirge!
    Wo man auch hinschaut, Berge, Berge, Berge.

    Wir verließen Usbekistan über das weniger beeindruckende Ferganatal und verbrachten unseren ersten Abend im neuen Land an der Grenzstation. Wie bei den Armeniern war es etwas chaotisch und die Sprachbarriere schlug im vollen Ausmaß um sich. Nachdem unsere Pässe ordentlich gestempelt waren, war Ravty an der Reihe.
    Niko versuchte in seinem besten Russisch und mit Händen und Füßen mit dem Zollbeamten zu kommunizieren. Ich saß derweil im Auto und genoss die wunderschöne Aussicht auf den Stacheldrahtzaun hinter dem das so verheißungsvolle Tajikistan auf uns wartete. In Gedanken schon bei unseren nächsten Abendteuern wurde ich höflich aus dem Fahrzeug gebeten und musste beim Zollbeamten vorsprechen.

    B: Was chastneite pa russkii? (Sprechen Sie russisch?)
    D: Niet!


    Meine Antwort kam wohl wie aus der Pistole geschossen, denn der Zollbeamte tat sich schwer mir auch nur ein bisschen Glauben zu schenken. Nach einigen Monaten durch die Welt tigern, muss ich jedoch zugeben, dass ich genau diesen Satz perfekt verstehe sowie dessen Antwort im Schlafe aufsagen kann (wow......das ist doch ein Applaus wert!)
    Niko war mit meiner Antwort auf alle Fälle aus dem Rennen, ich hatte die komplette Aufmerksamkeit des Zollbeamten – dabei habe ich noch nicht mal meinen perfekten Augenaufschlag einsetzen müssen *ggg*
    Der Beamte erzählte nun all die Dinge die für die Zolleinfuhr wichtig waren, was wir zu beachten hätten und was zu tun sei. Ok, alles klar! Genau so gut hätte er 20min lang TAJIKISTAN sagen können, den im Endeffekt war genau dies was bei mir ankam. Man könnte nun meinen ein Beamter würde irgendwann einmal aufgeben, dem war aber nicht so, erneut ging alles von vorne los. Nach einer Weile – wir hatten wenigstens das Wort Marschroute verstanden – wurde eine Karte zur Hilfe genommen.

    D: Also wir fahren hier so entlang. Nach Dushanbe, dann da so rum, hier über den Berg.......
    N: Nein Diana, wir fahren so rum.
    D: ??? Ok, dann eben so entlang.
    N: Neee, da so rum.
    D: Ja, dann rede du doch mit Ihm.
    N: also von Dushanbe nehmen wir die M...
    B: njiet, Diana cbieuhfiuefhei
    N: der will mit mir nicht reden
    D: haha, da würde ich mir jetzt mal Gedanken machen.
    N: *Augen verdreh* ok, wir fahren so lang, kannst du das sagen und zeigen?
    D: wir fahren so lang, dann hier so über den Berg und den Berg, da den Berg auch noch
    B: da,da............hehjfleiufjeoihjloeurioe (der Beamte zeigte nun einen anderen Weg)
    D: njiet, da wollen wir nicht hin. So rum.
    B: Permit?
    D: Permit? Da, pa Dushanbe
    B: cieuhjfiouerho 122 Dollari cheiuvhjeriojoei
    N: 122 Dollar?
    D: scheint mir zu teuer...is das für Zoll?
    N: zahlen wir nicht!
    B: ???

    Das Gespräch ging eine Ewigkeit und irgendwie kamen wir auf keinen gemeinsamen Nenner. Irgendwann fiel dem Beamten ein (es war bereits dunkel geworden), dass er einen Bruder hatte, der perfekt Englisch sprach. Oh Mann.......Hirn anschalten war um die Uhrzeit wohl nichts.
    Der Bruder wurde angerufen und Niko sprach mit ihm. Der Hörer ging so ein- zweimal von Beamten zu Niko und wieder zurück bis er dann bei mir landete.

    D: ?? Was ist jetzt?
    N: der will auch nicht mit mir reden.
    D: dazu sag ich jetzt nichts! *innerlich lachte ich mich scheckig*

    Endlich verstanden wir etwas und konnten innerhalb von 20min die Zollabfertigung für Ravty über die Bühne bringen. Wäre schön gewesen, wenn wir dies schon 1½ Stunden früher gelöst bekommen hätten. Naja wie dem auch sei Ravty hatte es geschafft und war in Tajikistan angekommen. Zwar nur mit einer Aufenthaltserlaubnis für 14 Tage, aber vorerst war dies geschafft. Auch die 122 Dollar lösten sich schnell auf, der Beamte meinte 122 Sumoni was umgerechnet ca. 25 Dollar entsprach. Alle waren happy :)

    Nun waren wir an der Reihe. Unser erster Besuch galt dem an der Grenze stationierten Tierarzt.
    Richtig, dem Tierarzt!

    Wir wurden weder auf BSE noch auf Maul-und-Klauen-Seuche untersucht, lediglich 15 Dollar für ein Stückchen Papier mussten bezahlt werden auf dem angegeben wurde, dass Ravty ordentlich desinfiziert wurde......hmmm, bei der Überquerung der Grenze sind wir jedoch an der (Schlamm-)Pfütze vorbei gefahren.....ach egal, Papier ist Papier und mit einem ordentlich Stempel drauf wollen wir ja nicht meckern. Ravty wird es uns sicherlich danken, dass wir ihn vor der klebrigen sowie stinkenden Chemikalie bewahrt haben.
    Nun ging es zum letzten Beamten dieser doch sehr abgelegenen Grenzstation, der bereits friedlich über seinen Unterlagen eingeschlafen war. Bei diesem netten Herrn durften wir dann 1 Dollar berappen – Bearbeitungsgebühr (soso) Immerhin muss ja das Papier und die Tinte fürs Stempelkissen irgendwie bezahlt werden. Da uns der Veterinär einen schlechten Umrechnungskurs gegeben hatte, waren uns die kleinen Dollars ausgegangen und der Beamte sträubte sich ums verrecken bei seinem Kollegen den Dollar einzufordern. Naja, so kramten wir unser letztes usbekisches Geld heraus und feilschten noch eine Weile um einen guten Umrechnungskurs.
    Endlich, in der Dunkelheit der Nacht durften wir das stachlige Tor nach Tajikistan passieren – wir waren eingereist.

    Am Morgen unseres ersten Tages im neuen Land wurden wir durch ein herzliches „Iiiiiiaaaaaaaa“ geweckt. Wir hatten nach langer Suche in der Nacht Ravty neben einem zerfallenem Haus geparkt, es konnte ja keiner ahnen, dass ein Esel dort wohnte und sich über den Besuch in seinem Vorgarten nicht sonderlich freute. Er schimpfte noch ein paar Mal bis er beleidigt in seinem Häuschen verschwand – es hätte mich nicht gewundert, wenn die Türe mit einem lauten Rums ins Schloss gefallen wäre.
    Etwas verschlafen inspizierten wir unsere Umgebung und stellten fest, dass doch so manches in der Dunkelheit verborgen bleiben sollte. Das traurige Dorf ganz in unserer Nähe konnte uns ebenfalls wenig fesseln und so setzten wir rasch unsere Reise fort. Zu rasch wie es schien. An der Hauptstraße wurden wir sogleich von ein paar freundlichen Polizisten angehalten: Geschwindigkeitskontrolle.
    Angeblich fuhren wir 21km/h zu schnell. Ok, also mal wieder tief in die Trickkiste greifen und den altbewährten Zaubertrick heraussuchen: Ähhh??
    Nun wollte uns der Beamte auf seinem schicken neuen Lasergerät zeigen, dass wir anstatt 40km/h 61km/h gefahren sind. Er pfiff daher seinen Kollegen zu sich, der mit dieser besagten Laserpistole bei unserem Vordermann stand um uns die wunderbare Zahl 61 zu zeigen. Moment?
    Fuhr unser Vordermann ebenfalls exakt 21km/h zu schnell? Und die Fahrzeuge, die gerade eben raus gewunken wurden ebenfalls?

    Wir lachten herzhaft. Wirklich, es war so eine lustige Situation, dass wir nicht anders konnten außer zu lachen. Etwas irritiert wurde uns erneut die Laserpistole hingehalten, doch nach wenigen Sekunden war klar, dass Ausländer ohne russisch Kenntnisse wohl leicht bescheuert sind und so durften wir nach hinzuziehen des Hauptmannes und einem „Welcome to our country“ weiterfahren. Die Laserpistole wanderte danach zu den anderen Fahrzeugen und zeigte mit vollem Stolz jedem die magische Zahl 61.



    Wir überquerten nun den ersten Gebirgszug Tajikistans. Gerne hätten wir die alte Passstraße am Shakhristan genommen und somit den von Chinesen erbauten neuen Tunnel umgangen. Jedoch war die alte Straße abgesperrt. So blieb uns nichts anderes übrig als die neue Strecke zu nehmen mit dem Wissen ein herrliches Bergpanorama zu verpassen. Dafür war die Abfahrt ins dahinterliegende Tal ein Spaß. Strotzte die Auffahrt mit neuem Asphalt und glänzenden Leitplanken so bot die jetzige Straße verrostete Autowracks, Geröll und riesige, scharf ausgeschnittene Schlaglöcher. Bei so viel Abwechslung zahlten wir doch gerne die Mautgebühren von 5 USD.


    Bevor es den nächsten Berg wieder hinaufging, bogen wir ab und folgten dem Flusslauf des Zeravshan bis nach Panjakent. Panjakent und seine historischen Ruinen waren für uns den Besuch nicht wert. Wenn man nicht weiß wo man sich befindet, sieht man lediglich ein paar Hügel zusammen gestampften Lehms. Doch die Strecke zu dem Ort, der nur wenige Kilometer von der usbekischen Grenze entfernt liegt, ist beeindruckend. Entlang des mal tosenden mal friedlichen vor sich hinfließenden Zeravshans, mit dem steilen Abgrund auf der einen Seite sowie die teils senkrecht in den Himmel ragenden Felswände auf der anderen Seite, machten die Fahrt auf der Schotterpiste zu einer wahren Freude. Nach jeder Kurve öffnete sich die Schlucht von neuem und gab den Blick auf schroffe Hänge, rote Felsen, kleine Dörfer und noch kleinere Oasen, die wie grüne Smaragde schimmerten, frei. Da uns die Ruinen des historischen Panjakent nicht mal ein müdes Lächeln abrungen, verzichteten wir auf den Besuch von Sarazm. Die wohl älteste Siedlung Zentralasiens mit dem verheißungsvollen Namen „Anfang der Welt“ war uns die extra Stunde Fahrt nicht wert.
    Doch Panjakent war nicht unser eigentliches Ziel, viel mehr sehnten wir uns nach den sieben Perlen des Shing, die in den Hochtälern des Fan-Gebirges ruhen. Ehe man in den Genuss dieser abgelegenen Gegend kommt, gilt es einen steinigen, schmalen Weg zu bezwingen. Vorbei an einer hässlichen Goldmine mit der dazugehörigen stinkenden Quecksilberfabrik, schlängelt sich der Weg durch wenige Dörfer immer höher hinauf bis zur ersten Perle des Shing (auf ca. 1.600m).


    Im Licht der Abendsonne schimmerte der kleine Bergsee wie eine Perle zwischen den kargen Felshängen. Vorsichtig näherten wir uns dem Gewässer und sobald sich auch nur ein wenig der Blickwinkel auf den See veränderte, so veränderte er seine Farbe. Mal war es ein herrliches sattes Dunkelblau was langsam überging in Schwarz, dann spiegelte sich der Himmel und all seine Wolken darin, bis der See plötzlich unheimlich klar und durchscheinend wurde. Große Felsbrocken am Grund des Sees, die nun zum Vorschein kamen, wirkten wie schlafende Seeungeheuer, die nur darauf warteten unachtsame Touristen zu verschlingen. Langsam fast schleichend wanderte Ravty unermüdlich weiter. Der Kies knirschte unter den Reifen als wir den schmalen Pfad an der Westseite passierten. Die Steine sowie Schatten im Wasser spielten mit unserer Phantasie. Da, bewegte sich nicht etwas im See?


    So sehr wie uns auch anstrengten wir sahen nichts. Keinen Fisch, keine Pflanze, kein Seeungeheuer, nicht mal ein einziger Wasservogel war zu sehen. Fasziniert erklommen wir die Schotterpiste hinter der ersten Perle und staunten nicht schlecht, als sich der zweite See offenbarte. Ein milchiges hellgrau versuchte sein Bestes den Himmel sowie die Berge um sich herum wiederzugeben. Obwohl trübe vom Schlick des Bachzuflusses war diese Perle ebenfalls ein kleiner Augenschmaus. Wenn man sich die Zeit nahm und näher hinschaute, erkannte man leichte Muster die die zaghafte Strömung in den See malte – ähnlich wie die Schattierungen einer Perle. Wie würden nun die anderen vier Seen aussehen?


    Perle Nummer drei bot an seiner Südseite eine kleine Wiese zum verweilen an auf der es sich einige Einheimische gemütlich gemacht hatten und Ihre Angeln in das klare Wasser warfen. Dieser See ist der Wärmste von allen und bietet auf Grund seiner milden Temperatur ein wohliges Plätzchen für Fische und kleinere Wassertierchen. Perle vier und fünf glichen dem ersten Bergsee und die sechste Perle, der größte See der Sieben, war fast leer. An allen Seen war an den Felshängen gut zu erkennen, dass einiges an Wasser fehlte, doch am auffälligsten war es am vorletzten See. Normalerweise führt die Straße entlang des Steilhanges und durch das kleine Örtchen am östlichen Ufer. Nun konnte man kurz nach dem Rathaus zum Ufer abbiegen und den einfacheren und bequemeren Weg über den Seegrund nehmen bis man zu den Resten des Gewässer kam. Später erklärte uns ein einheimischer Deutschlehrer, dass die Seen und Bäche dieses Jahr so wenig Wasser führten, da der Winter mild ausgefallen war und die große Schneeschmelze ausblieb. In sehr kalten Jahren war es ohne weiteres möglich, dass die Schneeschmelze eine Gefahr für die Dörfer und Bewohner des Fan-Gebirges darstellte.


    Kurz vor Einbruch der Nacht erreichten wir den siebten See auf 2.200m. Am steinigen Ufer fanden wir ein geeignetes Plätzchen zum Übernachten. Wie ein riesiger Spiegel reflektierte seine dunkle Oberfläche alles in seiner Umgebung. Völlig gebannt beobachteten wir wie die letzten Sonnenstrahlen hinter den Gipfeln des Hochgebirges verschwanden und wie aus dem verzauberten Spiegel, der schweigend vor uns lag, ein pechschwarzer endlos scheinender Abgrund wurde. Wie ein offenes Maul verschlang der See nun jegliches Licht. Totenstille! Fast schon unheimlich wirkte unser Schlafplatz an einem Ort der nun wie aus einem Schauermärchen entsprungen schien.


    Die Sonne weckte uns Freude strahlend am nächsten Morgen. Heute war ein großartiger Tag – immerhin gab es etwas zu feiern. Niko hatte Geburtstag. Das Ereignis wollten wir natürlich gebührend auf einem der Gipfel des Fan-Gebirges feiern. Bevor wir unseren Rucksack packten und los marschierten, galt es noch das restliche Obst von unseren Grenzlern sowie das Geschirr abzuwaschen. Voller Elan machte sich Niko an die Arbeit. Kaum hatte er sich ans Wasser gesetzt, tauchten Kinder auf, die uns neugierig unter die Lupe nahmen. Mit einem gehörigen Sicherheitsabstand von mehr als 10 Metern wurde jede Handbewegung genauestens studiert, jeder Gegenstand argwöhnisch begutachtet und brav gegrinst wenn wir versuchten mit ihnen zu reden. Irgendwann wurden sie mutiger, setzten sich verlegen, jedoch noch weit entfernt ans Wasser und beobachteten Niko. Mal wurde kurz im Wasser geplanscht um sich dann lachend und schüchtern wieder einen weiteren Meter dem doch so fremd aussehenden Mann zu nähren. Nach einer halben Ewigkeit hatten die Kinder es geschafft, es trennten sie nur noch wenige Zentimeter, doch oh nein.....Niko war bereits fertig mit dem Abwasch. Was nun??


    Lächeln......Lächeln hilft immer. Und nachdem beide ihr schönstes Lächeln aufgesetzt hatten, gab es natürlich auch eine leckere Pflaume für jeden.


    Der Rucksack war gepackt, die Hausarbeit erledigt; wir waren soweit um den Gipfel im Sturm zu erobern. Vor unserem Aufbruch warfen sich alle drei Kinder für unsere Kamera so in Pose, dass wir nun endlich eine Gelegenheit fanden einen Teil unserer Bonbons loszuwerden.
    Wer kam eigentlich auf diese blöde Idee Bonbons zu sammeln?? Seit dem Iran bekamen wir ständig Bonbons geschenkt, die wir hüteten wie Juwelen. Naja, diese kleinen Dinger werden uns auf alle Fälle noch eine Weile begleiten, denn schmecken tun sie uns nicht wirklich, aber einfach so verschenken darf ich sie auch nicht.
    So, wo war ich? Ach, ja. Wir hatten also sechs ganze Bonbons an die Kinder gebracht und machten uns nun auf den Weg den Gipfel zu stürmen.


    Eine kleine Eselskarawane kam des Weges und wir hingen uns gleich hinten dran. Entlang des siebten Sees klammerte sich ein kleiner Pfad an der abschüssigen Felswand entlang. Liebevoll waren einige Wegabschnitte mit verschlungenen Ästen und Wurzeln unterlegt um sie vor Unterspülungen zu schützen. Wie am Vortag waren wir auch dieses Mal fasziniert von dem strahlenden Blau durch das man bis auf den Grund des Sees blicken konnte. Riesige Felsbrocken, weiße Äste und alte Baumstämme wirkten wie ein verwunschener Ort der vor langer Zeit in dem eisigen Wasser verloren ging.


    Als wir das Ende des Sees erreichten, war die Karawane längst verschwunden und wir rätselten, welchen Weg wir nun einschlagen sollten. Im linken Tal war ein Weg zu erkennen, der sich immer noch krampfhaft am Felsen festklammerte. Im rechten Tal ergoss sich ein kleiner Fluss in den See an dessen Uferseite ein paar Steinhäuser standen. So oder so mussten wir vorerst auf die Häuser zu steuern, also warum nicht die Gelegenheit am Schopfe packen und die Einheimischen dort nach dem Weg fragen. Laut unserer Info soll es nahe der Berggipfel noch einige Seen zu bestaunen geben.
    Kaum hatten wir den Fluss überquert, wuselten von überall Kinder her. Das ganze Bergdorf schien aus Kindern (und Ziegen) zu bestehen. Wenigstens wussten wir, dass Kol See bedeutete und so legten wir los.


    N: Kol? (einmal nach rechts zeigend) 

    N: Ili Kol? (einmal nach links zeigend) 
    K: Kichern 
    N: Kol? (nun begann die Montagsmaler-Aktion) 
    K: Da! Kol. (es wurde in beide Richtungen gezeigt) 
    N: Kilometri? K: hmmm, 1-2km (und die Hand ging nach links)

    Doch dann hörten wir plötzlich eine Frauenstimme. Die Frau erklärte uns nun, dass die Seen jedoch im rechten Tal lagen und wir einiges zu laufen hätten. Das älteste Kind (vielleicht ein Knirps mit 10 Jahren) widersprach der Frau wehemend und schickte sie sogleich hinfort. Nun war klar, wer in Abwesenheit der Väter die Hosen hier anhatte.


    K: Kol (links zeigend) adin den (1 Tag). Kol (rechts zeigend) 2km. 

    N: ist eigentlich egal wo wir hinlaufen.

    Und so entschieden wir uns für die Seen in zwei Kilometern Entfernung. Zudem gab uns dieser Weg die Gelegenheit das Dorf und seine Häuschen genauer anzuschauen. Mickrige fünf Schritte hatten wir nach der letzten Hütte getan, da kamen zwei riesige, weiße Höllenhunde bellend und keifend angerannt. Der Sabber troff beiden von ihren Lefzen und es war so absolut kein herrlicher Anblick diese Viecher auf einen zu stürmen zu sehen. Aber wir haben auf unserer Reise ja schon einiges gelernt. So nahmen wir ein paar Steine in die Hand und warfen sie nach den Hunden.Obwohl wir meilenweit danebenzielten, reichte es. Beide Hunde trotteten nun langsam hinter uns her. Damit wir aber wussten, dass sie es immer noch ernst meinten, bellten sie aus vollen Kehlen. Hin und wieder drehten sie sich um und als im Dorf niemand mehr zu sehen war, war ihr Job erledigt und sie drehten um.


    Nun konnten wir in Ruhe die herrliche Berglandschaft um uns herum genießen. Der Fluss wurde schmäler bis nur noch ein Bach neben uns plätscherte, die Sonne wärmte uns und ein leichter Wind sorgte ab und zu für Abkühlung. Als wir eine kurze Rast einlegten, überholte uns eine kleine Eselskarawane, die einen neuen Ofen geladen hatte. Nach ein paar Stunden erreichten wir ein Geröllfeld hinter dem nun die weißen Gipfel des Gebirgszuges empor traten. Bis auf die Grautiere sowie einige verlassene Verschläge hatten wir nur wenig Anzeichen von menschlichen Leben hier oben gesehen und nun staunten wir nicht schlecht, das bei jedem Schritt sich immer deutlicher die Umrisse von kleinen Steinhäusern im Geröllfeld abzeichneten. Langsam erkannten wir nun auch Ziegen, Kühe, Kinder sowie Frauen in schillernd roten Gewändern. Einige Männer hantierten an einem Felsen und die bekannten Grautiere blickten uns stumm an. Den Gipfel fest im Blick mieden wir es dieses Mal durch das Dorf zu laufen.
    Nachdem ganzen Geröll überquerten wir eine kleine Kuppe und eine saftig grüne Hochebene erstreckte sich zu unseren Füßen. Etwas verwundert schauten wir noch einmal ins Dorf hinunter und fragten uns warum nicht hier oben die Häuser standen. Ach was soll´s .....bis auf ein paar Kühe war niemand hier oben und wir konnten uns nach der Wanderung ungestört entspannen. Die Seen haben wir an diesem Tag zwar nicht gefunden, jedoch feierten wir Nikos Geburtstag mit einem ausgiebigen Sonnenbad und dem von mir „selbstgebackenem“ Apfel-Pflaumen-Keks-Kuchen.


    Die Zeit verging wie im Flug. Allmählich machten wir uns auf den Rückweg, blickten noch einmal zurück damit wir die Landschaft auch gut in Erinnerung behalten würden und stiegen um das Geröllfeld ab. Nahe des Dorfs kam ein junger Kerl auf uns zu gesprungen. Handwedelnd begrüßte er uns und bat uns ihm zu folgen. Als wir im Dorf ankamen, freute sich sein Vater und lud uns sogleich auf eine Tasse Tee ein. Eine rote Decke wurde ausgebreitet, Kissen für die beiden Gäste herbeigebracht und ein wohlduftender Grüntee ausgeschenkt. Dazu gab es Brot und Kandiszucker.
    Überwältigt von so viel Gastfreundschaft auf 3.000m packten wir unsere restliche Wegverpflegung aus. Es war nicht mehr viel übrig: eine Tomate und eine handvoll kleiner Äpfel. Für unsere Gastgeber schien dies jedoch ein besonderer Gaumenschmaus zu sein. Die kleine Gabe wurde mit großen Augen angeschaut und dann genüsslich sowie bedacht verzehrt. Wieder einmal wurde uns deutlich vor Augen geführt, dass für uns so alltäglich Dinge für den ein oder anderen auf dieser Welt etwas Besonderes darstellte und das wir in unserer Konsumwelt den kompletten Bezug sowie die Bedeutung von all den kleinen Dingen verloren haben.
    Wir verabschiedeten uns nach zwei Stunden mit schweren Herzen jedoch wollten wir vor Sonnenuntergang wieder bei Ravty am siebten See sein. Gut ausgeruht und gestärkt fiel uns der Abstieg leicht. Zum Abschluss des wunderschönen Tages genossen wir ein kurzes Bad im kristallklaren Wasser. Dabei machten wir die Bekanntschaft mit kleinen Urzeitkrebsen denen wir noch eine ganze Weile fasziniert bei ihrem emsigen Treiben zu sahen. Ein wunderschöner Sternenhimmel begleitete uns in unserer Träume und wachte bis zum frühen morgen über uns.


    Langsam räumten wir unsere Sachen zusammen, beobachteten die einzelnen Eselkarawanen die an uns vorbeizogen und hielten noch einmal Ausschau nach den Krebstierchen. Eine kleine Gruppe mit drei Eseln und ein paar Ziegen blieb stehen. Eine bekannte Stimme grüßte uns und wir erkannten den freundlichen Hirten und seinen Familie vom Vortag. Noch ehe wir zurückgrüßen konnten, stand der Sohn mit großen Augen vor Ravty und begutachtete das seltsame Gefährt. Auch sein Vater stieg ab und kam zu uns. Die Begrüßung war herzlich und die Neugier für Ravty groß. Die nun folgende Untersuchung lies Ravty brav über sich ergehen und als der Junge am Steuer sitzen durfte, merkte man, dass er am liebsten mit uns gereist wäre.
    Gerne hätten wir alle auf eine Tasse Tee eingeladen, jedoch zogen am Rande des Gebirges dunkle Wolken auf und der Hirte wollte mit seiner Familie und den Tieren vor dem Regen im Bergdorf sein. Wir verabschiedeten uns erneut und blickten der winzigen Karawane nach bis sie hinter dem letzten Bergvorsprung verschwand. Etwas Wehmut legte sich auf unsere Herzen als wir die sieben Perlen des Shing verließen und zurück durch das Flusstal des Zeravshan fuhren. Unser nächstes Ziel war der Iskander-Kol. Ein großer Bergsee an dem einer alten Legende nach Alexander der Große sein Pferd am Ufer verloren hatte. Was mit dem Pferd geschah oder ab Alexander der Große weinte, ist bedauerlicherweise nicht überliefert.


    Zum Nationalpark, den der See umgibt, war es eine schöne Strecke, doch was wir nach dem Tor des Parkwächter sahen, konnte unsere Erwartungen nicht erfüllen. Zuerst einmal begrüßte uns ein schäbiges Touristencamp, das wir gleich links liegen ließen. Wir folgten der schmalen Uferstraße auf die andere Seite des trüben Sees, bis eine Schranke die Weiterfahrt verhinderte. Ein schönes Plätzchen war dort ebenfalls nicht wirklich auffindbar. Die Besucher vor uns, hatten den größten Teil des Ufers zugemüllt oder mit Feuerstellen verbrannt. Ohne viel überlegen war uns klar, dass wir hier nur ein Übernachtungsplätzchen gefunden hatten und am nächsten Tag weiter nach Anzob fahren würden. An einer alten Feuerstelle hatten wir gerade mühsam Holz zusammengetragen und ein Feuer entfacht als wir lautes Motorengeräusch vernahmen. Ein großer gelber MAN Truck bahnte sich seinen Weg durch den spärlichen Wald Richtung Bergkuppe. Sofort war uns klar, das der MAN an der Schranke die in 200m folgen würde nicht umdrehen konnte. Beherzt sprangen wir dem Truck hinterher doch erst Händewedeln und Pfeifen brachte den Truck zum stehen (nun wissen wir endlich dessen tieferen Sinn).


    Eine vierköpfige französische Familie stieg aus. Les Simpsons.


    Nach einer etwas komplizierteren Einparkaktion in völliger Finsternis hatte Ravty einen Nachbarn bekommen. Mittlerweile hatte es zu regnen angefangen und unsere Lagerfeuerstimmung war mal wieder dahin. Als Entschädigung durften wir dem Hightech-MAN-Truck bei seiner Transformation zu schauen: das Hubdach fuhr aus, der Generator sprang an, die Treppe wurde ausgeklappt und aus dem LKW wurde ein richtiges Einfamilienhaus mit Garage.


    Nach einer etwas komplizierteren Einparkaktion in völliger Finsternis hatte Ravty einen Nachbarn bekommen. Mittlerweile hatte es zu regnen angefangen und unsere Lagerfeuerstimmung war mal wieder dahin. Als Entschädigung durften wir dem Hightech-MAN-Truck bei seiner Transformation zu schauen: das Hubdach fuhr aus, der Generator sprang an, die Treppe wurde ausgeklappt und aus dem LKW wurde ein richtiges Einfamilienhaus mit Garage.


    Bei einem kühlen Bier bekamen wir eine exklusive Hausführung und staunten nicht schlecht was alles so auf Weltreise mitgenommen werden kann. Etwas neidisch waren wir auf die warme Dusche sowie auf die Waschmaschine.


    Nach einem kalten Bad im Iskander-Kol verabschiedeten wir uns von Muriel, Yannick, Victor und Robin und machten uns auf den Weg in das Yagnob-Tal von dem aus wir über den alten Anzobpass nach Dushanbe reisen wollten.
    Das Wetter war immer noch nicht besser geworden und das Wasser ergoss sich in Strömen von den Berghängen. Zwar hatten wir nach unserer Erfahrung in Usbekistan geschworen keine Anhalter mehr mitzunehmen, da jedoch Teile der Straße im Yagnob-Tal überflutet waren und an dem Tag kaum ein Auto unterwegs war, hielten wir an als ein Mann am Straßenrand uns zu winkte. Abdulhamin ein Elektriker aus Anzob freute sich riesig, das wir ihn die letzten 30km zu seinem Haus mitnahmen. Bei einer Tasse Tee in seinem gemütlichen Heim erklärte er uns, dass der alte Pass erst in zwei Monaten passierbar sei und der weitere Weg ins hintere Tal aufgrund des Wetters kein Spaß sein würde. Trotzdem wollten wir es probieren.

    Wie vorhergesagt war der Anzobpass nicht befahrbar. Trotz des vielen Wassers – die Straße war mehr Fluß als Weg -schafften wir ein gutes Stück des Weges bis enorme Schneefelder und Erdrutsche ein weiteres Durchkommen verhinderten. Nun versuchten wir unser Glück mit der Fahrt ins hintere Yagnob-Tal.
    Jedoch versperrte uns dort ein anderes natürliches Phänomen den Weg. Eine endlos erscheinende Schafherde spazierte vor uns durch das enge Flusstal und ein Vorbeikommen war unmöglich. Nach ca. 30min, in denen wir gerade mal 200m schafften, gaben wir es auf und drehten um. Immerhin gab es ja noch den berühmt berüchtigten Anzobtunnel, den wir als Alternative nehmen konnten.
    Zwar war dieser Tunnel optisch nicht so ansprechend wie die Berglandschaft, die man entlang des alten Passes betrachten kann, trotzdem war er ein Erlebnis.


    Ein 3,5km langes Wurmloch.

    Das es in Tunnels keine Lichter gibt, kannten wir ja schon aus der Türkei und aus Georgien, dass man hinzu jedoch auf jegliche Abluft verzichtet, trieb uns sogar bei geschlossenen Fenstern und Lüftungsdüsen Tränen in die Augen. An ein leichtes Atmen war ebenfalls nicht zu denken.
    Dem Erstickungstode nahe, kämpften wir zusätzlich noch mit tiefen Schlaglöchern, die bis zum Rand mit Wasser gefüllt waren, und herabhängenden Kabeln. Das jeder in diesem Tunnel fuhr wie er wollte und konnte, erwähne ich nur am Rande. So oder so, waren wir froh als wir endlich wieder Licht sahen und frische Luft bekamen.

    Nach dem Wurmloch versuchten wir erneut unser Glück. Dieses Mal hatten wir uns das Anzob-Tal ausgesucht, welches laut unserer Info am Ende mit heißen Quellen lockte. Das es eine Sackgasse sein würde, war uns von vorne herein klar, allerdings wollten wir uns ein heißes Bad nicht entgehen lassen. Eine etwaige Schneewanderung hätten wir dafür sogar in Kauf genommen. Wir durchstreiften erneut herrliche Berglandschaften und Hochebenen. Begutachteten den Abstieg des alten Anzob-Passes der uns verwehrt geblieben war und sahen den Hirten mit Ihren Ziegen ein wenig nach.


    Als wir nur noch vier Kilometer von den heißen Quellen entfernt waren, kamen uns zwei Wanderer entgegen. Braungebrannt von Ihrer Gletscher Tour über die Hissar-Range, strahlten uns aufgeweckte Augen an. Der Schwede und sein georgischer Freund nahmen uns die Hoffnung auf ein heißes Bad. Die ersehnte Quelle war nur ein Rinnsal natürlichsprudelndes Mineralwasser.


    Zudem wurde die Straße aufgrund von Lawinen unbefahrbar. Aus diesem Grund strichen wir das köstliche Nass, unternahmen einen kleinen Spaziergang und bauten unser Nachtlager mit den Wanderern zusammen auf einer alten Schafweide auf.

    Auf knapp 3.300m zauberten Milad und Vladimir ein köstliches Essen bestehende aus Wurst, Gemüse und Bitch-Pocket (asiatische Fertigsuppe). Mit warmen Magen genossen wir trotz eisiger Kälte das Beisammensein bis spät in die Nacht. Eingekuschelt in unsere warmen Schlafsäcke brachte ein heftiger Sturm Regen und Donner. Blitze erleuchteten den schwarzen Himmel und für Sekunden erstrahlten die schneebedeckten Bergen in einem unrealistischen Weiß. Als der Regen über uns hinwegzog und auf Ravtys Dach sowie Motorhaube eine Symphonie trommelte, schliefen wir langsam ein.

    Am nächsten Tag nahmen wir Milad und Vladimir mit nach Dushanbe. In der Hauptstadt Tajikistans wollten wir unser Permit für den Pamir Highway beantragen. Das Hochgebirge darf nämlich nur mit einem Passierschein für die Bergregionen befahren werden.


    Vladimir gab uns die Adresse der zuständigen Behörde (OWIR) doch laut unserer Internetrecherche war der richtige Ansprechpartner das Außenministerium.


    Nachdem wir die zwei Jungs abgesetzt hatten, entschieden wir zuerst das Ministerium auszuprobieren. Doch wie von Vladimir vorhergesehen, konnte uns hier niemand weiterhelfen. Wir bekamen eine Adresse und eine Wegbeschreibung zum OWIR. Eigentlich war diese ziemlich simple. Der Straßenname war schnell gefunden und ein grünes, siebenstöckiges Gebäude sollte auch kein Problem darstellen. Haha!


    Wir fuhren die Straße mehrmals ab, die jedoch ständig Ihren Namen wechselte und ein siebenstöckiges Gebäude war weit und breit nicht zu sehen. Nachdem die Suche erfolglos blieb, nahmen wir uns die Wegbeschreibung von Vladimir vor. Hier sollte die Behördenstelle ebenfalls nicht schwer zu finden sein. Die große Straße war schnell gefunden und ein rosanes Backsteingebäude sollte sich auch noch finden lassen.

    Habe ich vorher schon herzhaft gelacht?

    Wieder einmal fanden wir nichts. Wir fuhren die Straße bis zum Ende und entdeckten ein einziges Backsteinhaus, dass rötlich schimmerte. Ein offizielles Schild war an einem kleinen Seiteneingang angebracht und ein Soldat stand davor Wache. Endlich hatten wir die Behörde gefunden.

    Glücklich stiefelten wir los und klopften an die Tür. Entsetzt folgte uns der Soldat, beobachtete uns misstrauisch und fragte nach einer Weile was wir hier eigentlich wollten. Selbstverständlich das Permit für den Pamir. Ein verständnisloser Blick sowie ein heftiges Kopfschütteln war die Antwort.
    Hier gab es kein Permit, nur Schwerverbrecher. Nun schauten wir uns das Gebäude etwas genauer an und stellten schmunzelt fest, dass wir am Staatsgefängnis geklopft hatten und um Eintritt baten.


    Ein Besuch bei den Verbrechern von Tajikistan wäre sicherlich auch eine Geschichte wert gewesen, allerdings öffnete uns niemand die Tür und der Soldat war ebenfalls nicht bereit eine Sightseeingtour anzubieten.

    Nach dieser Aktion fuhren wir erneut in die Straße, die uns das Ministerium genannt hatte. Irgendwann entdeckten wir vor einem kleinen Kabuff drei Radfahrer und schwups hatten wir das OWIR Office gefunden. Natürlich kamen wir genau rechtzeitig zur Mittagspause :(
    Die Beamten gönnten sich pünktlich Ihr Lunch und so nutzen wir die neugewonnene Zeit um unseren knurrenden Mägen Abhilfe zu verschaffen.Als wir so durch die Stadt cruisten, entdeckten wir ein kleines Restaurant, dass aus allen Nähten platzte.

    Genau das Richtige für uns: klein, etwas schmuddelig und vollgestopft mit Einheimischen.

    Da wir eh nicht verstanden was uns die kyrillischen Buchstaben leckeres vorschlugen, wählten wir nach gut Glück. Die Nr. 2 und 3 sollte es sein: Kurotobi sowie Schakarop. Traditionelle Suppen mit dem uns aus Turkmenistan bekannten Pfannkuchenbrot serviert in wunderschönen Holzschüsseln.
    Wir waren von dem kleinen Restaurant so begeistert, dass wir noch einmal einkehren wollten bevor wir Dushanbe verlassen würden.

    Am Abend trafen wir uns mit unserem neugewonnen Freund Milad. Sein Kumpel Eric hatte heute Geburtstag und wir gingen gemeinsam im Victory Park essen. Es war ein wirklich lustiger Abend. Wir genossen die Zeit, lachten viel und fanden die miserablen Pommes die Besten, die wir seit Monaten zu Gesicht bekommen hatten.

    Am nächsten Morgen, wir hatten gerade alles zusammengepackt und frühstückten, als der Parkwächter an unsere Scheibe klopfte. „Mitkommen!“

    Wir befürchteten schon eine saftige Strafe – sicherlich war es nicht erlaubt im Park zu nächtigen. Doch anstelle einer Strafe wurde Niko erst mal verhört. Nachdem klargestellt wurde, das er weder Faschist noch Russe sei, wurde der Parkwächter herzlich. Ravty bekam eine langersehnte Dusche und wir verließen etwas verwirrt den Hof des Parkwächters.

    Das Permit w
    urde genehmigt und zum Abschied luden wir Milad in unser neuentdecktes Lieblingsrestaurant ein. Bevor wir Dushanbe verließen, shoppten wir noch einmal den halben Gemüsemarkt leer, gönnten Ravty einen neuen Ölfilter samt des schwarzen Goldes und wunderten uns sehr über die dortige Polizei, die nach einer schweren Unfallstelle wirklich nichts besseres zu tun hatte als in beide Fahrtrichtungen zu lasern.


    Get Adobe Flash player Wir verließen die kleine Großstadt und fuhren über Kulon nach Vanj. Entlang der afghanischen Grenze folgten wir dem wilden Fluss Pjandsch der zwischen beiden Länder über Jahrhunderte eine tiefe Schlucht grub und im 19. Jahrhundert den Schauplatz für „the great game“ bot. 
    Das britische Empire und das Zarenreich hatten zwischen Ihren Kolonien (Tajikistan und Pakistan) eine Pufferzone errichtet und nutzten hierfür die geografischen Gegebenheiten des Wakhantals. 

    Aufgrund der damaligen Vereinbarungen kann man nun als „Pamirtourist“ von Tajikistan aus sorglos auf einen kleinen Teil Afghanistans blicken. Was man von der unbefestigten, jedoch sehr bequemen Straße entlang des Pamirgebirges sieht, fesselte uns. Das Vakantal zog uns völlig in seinen Bann. 

    Steile Felswände entlang des teils tosenden Flusses wechselten sich ab mit saftigen Tälern. Kleine Dörfer versprühten ihren Charme und die traditionellen Häuser waren stets mit kleinen Feldern und Gärten umgeben. Wann immer der Berg es zu lies wurde Obst und Gemüse angebaut. Doch faszinierender als die tajikischen Siedlungen, Trinkwasserprojekte und kleinen Oasen war der Blick nach Afghanistan. Protzte Tajikistan mit guten Wegen und Straßen, war im Nachbarland die meiste Zeit ein kleiner Trampelpfad zu erkennen, der sich mit enormer Anstrengung mühselig an den schroffen Felsen klammerte. Mit viel Geduld und Ausdauer war der Pfad in das Bergmassiv geschlagen worden, wacklige und wenig vertrauenerweckende Baumstämme ergaben Brücken über Felsspalten, Abgründe und schäumendes Wasser. Wenn der Fels zu hart wurde um einen Weg hinein zu schlagen, wurde deutlich wie erfinderisch der Mensch werden kann. Äste und Steine bildeten die Grundlage für schmale Wege, die teils über den Fluss ragten. 
    Kontinuierlich schlängelte sich der Weg entlang des Flusses, ging bergauf und bergab, verschwand und tauchte deutlich an anderer Stelle wieder auf. Er ist eine wichtige Verbindung zwischen den kleinen Siedlungen, die ohne ihn vollkommen abgeschnitten wären. Viele Menschen, teils bepackt bis obenhin, nutzten den beschwerlichen Weg. Hin und wieder sah man beladene Esel oder Maultiere, doch für motorisierte Transportmittel war der Weg zu eng und gefährlich. So schleppten die Menschen auf der anderen Seite des Flusses all ihre Waren selbst, sicherlich Tage bis sie ihr Ziel erreichten. 

    Was auf den ersten Blick eine wild romantische Ausstrahlung hatte, ist für die Menschen ein harter Kampf, den sie jeden Tag bestreiten und als ob das Leben so nicht schon schwer genug sei, sehen die Afghanen auf der anderen Seite des Flusses für sie einen unerschöpflichen Reichtum und ein leichtes Leben: Autos, Motorräder, dicke Rinder, hunderte Hilfsprojekte, Teerstraßen und vieles mehr. Wie muss es wohl sein, dies ständig zu sehen – es praktisch in greifbarer Nähe zu haben und doch keine Chance zu bekommen von diesem Reichtum zu kosten? 

    Lange Zeit begleitete uns der kleine Pfad bis er irgendwann größere Siedlungen erreichte und zu einem breiteren Weg wurde auf dem vereinzelt überladene Busse und Motorräder fuhren. Als wir so dahinfuhren bemerkten wir einen älteren Mann auf der Straße und wir nahmen ihn mit. Manshur war Elektriker und wohnte im nächsten Dorf. Er lud uns zu sich nach Hause zum Tee ein und hungrig von der langen Fahrt nahmen wir die Einladung gerne an. Während eines einfachen, doch sehr köstlichen Abendessens brachte uns Manshur ein paar Wörter Tajikisch bei. Es war sehr spät geworden und Manshur hatte Angst uns im Dunkeln weiterreisen zu lassen. Seine Tochter bereitete unser Nachtlager vor während er uns die Toilette in seinem Garten zeigte. Wie es schien hatte er nicht wirklich Lust so weit zu laufen und so zeigte er mit einer ausragenden Handbewegung auf seinen Ziegenstall. Dies ist die Toilette? Erneut ging seine Hand zum Stall. Wir wunderten uns, wollten aber keine Diskussion beginnen, schmunzelnd gingen wir erstmal zu Ravty und putzten uns die Zähne. Immer noch leicht verwundert begutachteten wir nun mit Taschenlampen den Garten und die Stallung. Wir umkreisten einmal den Stall und siehe da oder besser rieche da: der Gestank lies erahnen, das die Toilette etwas bergauf an der Grenze zum Nachbargrundstück stand. Allerdings schien es Manshur wirklich zu bevorzugen seinen Stall hin und wieder anderweitig zu nutzen. Nach einem schweren Frühstück aus seltsamer Wurst und Eiern, etlichen Tassen Tee mit Tonnen von Zucker verabschiedeten wir uns von Manshur und seiner Familie kurz nach Sonnenaufgang. Wir wollten heute auf alle Fälle den Fedtschenko-Gletscher besichtigen und so nahmen wir den kürzesten Weg den uns unsere Militärkarten aufzeigten. 

    Wir entfernten uns von der afghanischen Grenze und bogen in das Vanjtal ein. Im Gegensatz zum Wakhantal  welches stellenweise sehr schmal ist, boten hier die Berge dem Fluss mehr Spielraum und so siedelten sich an den flachen Hängen viele Menschen an. Entlang eines breiten Schotterbetts schlängelte sich die Straße von Dorf zu Dorf. Neue Brücken verbanden die gegenüberliegenden Siedlungen, die immer wieder von sattem Grün umgeben waren. Der Schotterweg war sehr gut und so fiel uns eine ganze Weile nicht auf, dass wir auf der falschen Flussseite umhergurkten. Laut unserer Karte war dies auch nicht schlimm, da in einigen Kilometern eine riesige Brücke eingezeichnet war. Wir folgten somit dem Schotterweg, der uns durch wunderschöne Dörfer führte, hin und wieder das Flussbett nutzte sowie einen herrlichen Blick auf das gesamte Tal freigab. 

    Irgendwann erreichten wir jedoch das Ende des Weges und wir standen mit Sack und Pack vor der Dorfschule „Wanwans“. Ein Mann im Anzug erklärte wir müssen 20km zurück zur Brücke. Es musste jedoch einen Weg geben und diesen wollten wir finden. Ein kaum benutzter Pfad über den Volleyballplatz versprach uns einiges und als wir ihn einschlugen, drückten sich die Kinder die Nasen an den Scheiben platt. Was für ein herrlicher Anblick. Kurz darauf standen wir am Rande des Flussbettes und begutachteten die Lage. Im Schotter erkannte man deutliche Spuren, die die beiden Flussarme kreuzten. Doch wo wir nach dem zweiten Flussarm herauskommen sollten war ein Rätsel. Wieder tauchte unser Anzugträger auf und versuchte uns den Rückweg zur Brücke erneut schmackhaft zu machen. Zwei weitere Einheimische kamen hinzu, begutachteten Ravty und amüsierten sich über die Ansichten ihres Kollegen. Doch die ganze Diskussion bekamen wir nur am Rande mit, denn mittlerweile hatten wir schon den ersten Arm erreicht. Nun erkannten wir mehrere Spuren, suchten uns eine geeignete aus und begannen leicht nervös sowie voller Vorfreude unsere erste wirkliche Flussdurchfahrt. 

    Ravty tauchte problemlos ins eisige Nass. Das graue Gletscherwasser plätscherte durch unsere Radkästen und schwappte über die Motorhaube. Sanft schnurrend nahm Ravty jeden Stein der sich uns in den Weg stellte, strotzte der Strömung und kletterte nach dem zweiten Arm brav auf die Hauptstraße auf der anderen Seite des Flusses. Wow, was für ein Erlebnis. Doch es war viel zu schnell vorbei und wir bekamen Lust auf mehr. Insgeheim hofften wir auf unserer Reise noch mehr solcher Flussdurchfahrten genießen zu dürfen. 

    Und die nächste Gelegenheit kam schneller als gedacht. Eine Stunde später standen wir erneut vor dem selben Fluss einige Kilometer weiter stromaufwärts. Nach der Pforte des Nationalparks endete die Straße zum Fedschenko-Gletscher nach nur 5 km wegen mehrerer Erdrutsche. Zum Gletscher waren es sicherlich noch knappe 10 km und da man ja mit einem Auto langsam fußfaul und ein kleiner Adrenalinjunkie wird, nahmen wir das Flussbett erneut in Augenschein. Doch je näher wir dem Gletscher kamen umso wilder wurden die eisig grauen Wellen. Ein Schweizer Pärchen um die Sechzig gesellte sich zu uns und Michel fragte in seinem charmanten französisch-englisch, ob wir durchfahren würden, er würde nämlich gerne auf die andere Seite, aber alleine mit seinem Land Rover war ihm die Sache nicht geheuer. Ich muss Euch jetzt nicht sagen was wir getan haben. Es gibt ein nettes Video, welches Ihr Euch bei Gelegenheit mal anschauen könnt. 

    Video momentan nicht verfügbar 

    Wir schafften es ein kleines Stück näher an den Gletscher, doch irgendwann war es wegen der großen Steine nicht mehr möglich weiter zu fahren. Wir hielten daher an und packten unsere Rucksäcke. Die letzten Kilometer mussten wir doch klassisch zu Fuß zurücklegen. Muriel blieb bei den Autos und so machten Niko, Michel und ich mich auf den steinigen Weg zum ewigen Eis. Die Sonne brutzelte uns mit Freuden wie es schien und die losen Steine machten die Wanderung für Michel beschwerlich. Wie schon zweimal an diesem Tag versperrte uns erneut der Fluss den Weg. Da jedoch von unserer Gruppe nur eine Person masochistisch veranlagt ist, kehrten Michel und ich den Rückweg an während Niko versuchte die eisigen Fluten zu durchqueren um dann mit halberfrorenen Füßen den weiteren Weg über die steilen Hänge anzutreten. Bevor wir uns trennten vereinbarten wir eine grobe Uhrzeit an der Niko wieder zu uns stoßen wollte. Wir Drei zurückgebliebenen gönnten uns eine erholsame Auszeit und endlich fand ich auch etwas Muse um den Haushalt in Ordnung zu bringen. Langsam dämmerte es und mit alten Ästen, Hölzern und Stämmen, die weiträumig im Flussbett verstreut waren, entfachten wir ein gemütliches Feuer. Bei einer Flasche Wodka genossen wir die herrliche Landschaft und beobachteten das natürliche Lichtspiel der Natur. Graue Felsen und saftige grüne Wiesen schimmerten im roten Licht der Abendsonne und verblassten allmählich, doch etwas – besser jemand fehlte. 

    Niko war von seiner Wanderung zum Gletscher noch nicht zurück und Muriel wie Michel machten sich sorgen. Ich war immer noch tiefenentspannt und machte mir um meine Berggams keinen Kopf. Doch die Nervosität der Beiden stieg mit jeder Minute und so machte ich mich auf die Suche nach dem Nikolaus – mitten im Juni! Als ich an die Stelle kam, an der wir uns getrennt hatten, kam gerade ein etwas zerschundener Wanderer von den Berghängen hinunter gehetzt – wie gesagt: um eine Gams muss man sich nicht sorgen. Auf dem Rückweg sammelten wir noch etwas Holz und ließen uns von den Schweizern mit Chili und Raviolis verwöhnen. Wir genossen wieder einmal den sagenhaften Sternenhimmel über uns und versuchten erneut bekannte sowie unbekannte Sternbilder zu entdecken. Am Folgetag begannen wir die gemeinsame Rückfahrt mit der Flussdurchquerung. Wie bei jeder Querung hatten wir richtig Spaß und fanden es schade, dass wieder relativ schnell alles vorbei war. Am Ende des Nationalparks trennten sich die Wege unseres Landcruisers und des Land Rovers. 

    Wir düsten entlang des Vakan-Tals als uns plötzlich drei Soldaten herauswinkten. Wir dachten an eine normale Militärkontrolle und hielten unsere Papier bereit. Doch anstatt uns zu kontrollieren, fragten die drei jungen Männer höflich nach einer Mitfahrgelegenheit. Wir packten alle drei auf unsere Rücksitzbank und düsten weiter. Im Rückspiegel ergaben die drei Soldaten, die wirklich perfekt auf unsere schmale Bank passten, ein lustiges Bild. Die geladenen Gewehre sowie ihre Hüte hatten sie schön säuberlich auf unserer Küche abgelegt. Aufrecht wie Zinnsoldaten saßen sie mit gefalteten Händen im Fahrzeug. Nach ca. 20min rührten sie sich und wollten genauso rasch wie sei eingestiegen sind wieder aussteigen. Wir dachten uns nichts dabei und setzten die Fahrt fort. 200m später, passierten wir einen Stützpunkt und uns wurde klar, warum die drei Soldaten es so eilig hatten auszusteigen. Wir schmunzelten als wir die anderen Soldaten sahen, die ihren Weg wie gewöhnlich zu Fuß zurücklegten. 

    Wir erreichten Khorog relativ schnell. Das Städtchen war für uns ein kleiner Zwischenstopp um unsere Tanks zu füllen und in der Heimat Hallo zu sagen. Bedauerlicherweise war das örtliche Internetcafé bereits geschlossen und wir irrten durch ein größeres Gebäude im Stadtzentrum. Ein junger Tajike entdeckte uns. Er arbeitete in einem sozialen Projekt, welches von der USA gesponsert wurde, was auch deutlich zu sehen war. Dort erhielten gute Schüler die Möglichkeit kostenlos Internet zu nutzen sowie sich für diverse Sprach- und Austauschprogramme zu bewerben. Vielleicht war es aber auch ein geheimer US-Stützpunkt, war doch Afghanistan nicht weit. Gerne nahmen wir das Internetangebot an – komplett ausgestattet mit Mikrofon und Kamera sowie Highspeed war es die beste Verbindung seit Langem. Nachdem alles erledigt war, verließen wir Khorog und fanden im Dunkeln eine wunderbaren Platz zum nächtigen. 

    Eine kleine Sandbank mit direkten Blick über den Fluss nach Afghanistan. Was will man mehr? Wir waren gerade dabei unser Abendessen vorzubereiten als ein Geländewagen an der Straße anhielt. Bis an die Zähne bewaffnet, stiegen mehrere Männer aus dem Fahrzeug. Blankpolierte Stiefel traten auf den Asphalt und machten ein seltsames Geräusch. Der Sand knirschte unter ihnen als die Männer die Sandbank betraten und näher kamen. Die Scheinwerfer sowie alle Taschenlampen waren auf uns gerichtet. Gegen unseren Schlafplatz hatten wohl die Grenzsoldaten etwas. Es folgte ein längeres Gespräch – über die bösen Afghanen, die Geschichte der Grenze und blubb. Wir wurden gebeten alles zusammenzuräumen und uns am nächsten Grenzposten zu melden, an dem wir zu nächtigen hätten. Brav folgten wir den Anweisungen und fuhren zum besagten Gebäude. An der Straßensperre stand bereits ein einheimisches Fahrzeug dessen Besitzer man durch das Wachhäuschen schreien hörte. Hin und wieder lief er mit rotem Kopf und wild gestikulierend vor die Tür um dann so ziemlich jeden Soldaten anzuschreien den er sah. Niko begab sich ebenfalls ins Gebäude, doch auf Grund des cholerischen Fahrers wurde er schnell abgefertigt, die Schranke öffnete sich und wir wurden gebeten einfach weiterzufahren. Dagegen hatten wir natürlich nichts einzuwenden und so fuhren wir nach ein paar Kilometern in das nächste Tal, wo wir in einem kleinen Wald neben einem Fluss in der Nähe von Goram Chasma nächtigten. Hier störte uns niemand mehr.
    Get Adobe Flash playerNach einer erholsamen Nacht und einem kalten Bad ging es wieder entlang der afghanischen Grenze Richtung Ishkashim. In dem dortigen Grenzort wollten wir eigentlich den Bazar besuchen. Der Bazar von Ishkashim ist deswegen bekannt, da er sich zwischen den Grenzen auf neutralem Boden befindet und für jeden zugänglich ist, der seinen Pass abgibt. Doch als wir ankamen waren die Grenzen sowie der Bazar wegen Kämpfen im Nachbarland geschlossen. Ishkashim an sich war ein hässliches Dörfchen vor dessen schäbigen Hotels sich ausländische Backpacker sowie Radfahrer tummelten. 

    Bei so hohem Touriaufkommen zogen wir es vor uns nicht zu lange im Ort aufzuhalten. Es klingt gemein, aber unsere Zeit war uns zu kostbar um zum wiederholten male anhören zu müssen wie beschwerlich eine Weltreise mit dem Radl ist. Wenn man sich dann entsprechend zu diesem selbstgewählten Glück äußert, bekommt man allerdings nur verständnislose sowie böse Blicke. Ja, nicht jeder Mensch hat mit euch Radlern Mitleid – zudem zwingt euch niemand dazu. Aber das es auch jammernde Weltreisende mit dem Auto gibt, durften wir später noch erfahren. 

    Wir genossen die sagenhafte Bergwelt, das Panorama auf den Hindukusch und die Straßen des Pamirs sehr. Auch der ständige Blick nach Afghanistan war des öfteren atemberaubend. Nach so vielen eindrücken war es nun an der Zeit eine kleine Auszeit zu nehmen und was wäre da nicht besser als eine heiße Quelle? Dieses Mal sollten wir sicherlich auch mehr Glück mit einem heißen Bad haben, immerhin hatten wir auch ein paar GPS-Daten der Quelle, die von den Einheimischen Bibi Fatima genannt wird. So war es für uns relativ leicht den besagten Ort zu finden. Wir bogen von dem Hauptweg ab und folgten einer kleinen Straße die uns zuerst durch eine kleine Ansiedlung immer weiter den Berg hinauf führte. Kurz vor der Quelle (die momentan zu einem Resort ausgebaut wird) passierten wir eine alte Festungsruine. Von hier oben hatte wir einen wunderbaren Blick in das Tal mit dem Fluss, den kleinen Häusern mit ihren Feldern und konnten über den Vakankorridor schauen bis die 6.000er des Hindukusch das restliche Land hinter sich abschirmten. 

    Trotz des herrlichen Ausblicks zog es uns unwillkürlich zur Quelle. Seit Wochen, wenn nicht sogar seit Monaten hatten wir kein heißes Bad mehr genossen. Wie auch in anderen Ländern Zentralasiens war es in Tajikistan üblich, dass Männer und Frauen räumlich getrennt voneinander „Wellnesseinrichtungen“ besuchten. Für uns war dies zwar sehr schade, doch respektierten wir gerne diese Auflage. So teilte sich Niko das 40°C heiße Nass mit einem Schweizer, den wir am Kassenhäuschen trafen und ein paar Einheimischen, die auch nach ihrem Bad noch einen intensiven Geruch verströmten. 

    Ich hingegen hatte einen kleinen Glückstreffer, hatte ich doch den gesamten Damenbereich für mich alleine. So konnte ich entspannt abtauchen, alle Viere von mir strecken, die mich umgebende Wärme einfach wirken lassen und genießen. Es war der Hammer. Fast schon hatte ich vergessen wie genial eine heißes Bad ist, wie alles Schwere von einem weicht, der Kopf nach einer Weile leicht und unbeschwert wird und man einfach völlig relaxt. 

    Die heiße Quelle Bibi Fatima zieht viele Frauen aus den Umland an. Laut einer Legende besitzt das 40°C heiße Wasser magische Kräfte und unterstützt den Kinderwunsch junger Frauen. 

    Wir verließen gelockert und blitzblank Bibi Fatima und machten uns auf den Weg die weiteren Sehenswürdigkeiten dieses Tals zu erkunden (alte Festungen, Mondsteine, Steinkalender etc.). Am Abend begegneten wir wieder dem Schweizer, der sich ganz frech bei uns zum Essen einlud. Ein seltsamer Kauz. Schon bei der heißen Quelle fiel er negativ auf, als wir ihm das Geld für den Eintritt auslegten und er danach mit einer großen Staubwolke davonfuhr – selbstverständlich ohne uns das Geld zurückzugeben. Naja, geben wir ihm eben noch eine Chance.
    Ravty, nun in Begleitung eines nagelneuen Santanas erklomm routiniert den letzten Pass für heute, machte es sich auf einem Plateau auf 3.300m mit Blick auf das Nachbarland bequem und streckte seine Schnauze in den Wind. Der Santana gesellte sich etwas schwerfällig zu uns (was sicherlich nicht am Auto lag). Nachdem nun von unserem neuen Begleiter 100 mal Bedenken bezüglich des Übernachtungsplatzes geäußert wurde – zu gefährlich, zu offensichtlich, zu weit weg von der Zivilisation – musste er einsehen, dass wir uns keinen Millimeter mehr an diesem Tag bewegen würden. Alleine wollte er nicht weiterreisen und so begann er ein leckeres Essen zu zaubern und kühles Bier zu verteilen. Abseits jeglichen Lebens (haha) hielten hin und wieder Autos an um zu sehen was wir so trieben. Ein paar Jugendliche kamen vorbei, fragten nach Kippen sowie Alkohol und gingen unverrichteter Dinge wieder. Die Aufmerksamkeit die wir hier oben hatten machte unseren Begleiter nervös. Von Überfällen etc. war nun die Rede. Nachdem dieses Thema dann abgehakt war, wurde uns noch erklärt bei was für Straßenlagen und Schlaglöchern der Restwert des Fahrzeugs um wie viel Prozent sinkt. Na dann! Die Begegnung war seltsam und so störte es uns nicht im geringsten, dass wir kurz nach Sonnenaufgang die Gemeinschaft genauso plötzlich auflösten wie sie entstanden war. Wir gaben dem Santana über eine Stunde Vorsprung um sicher zu gehen ihm nicht nochmal über den Weg zu laufen. 
    Wieder alleine schmunzelten wir über so viel Misstrauen, Angst und Schwarzseherei. Wie schön ist es da manche Dinge auf sich zukommen lassen zu können und nicht alles minütlich genau geplant zu haben. Außerdem war es für uns befremdlich alle möglichen Gegenstände nach und mit ihrem Restwert zu beziffern bzw. zu beurteilen. Doch diesen Gedanken folgten wir nur kurz, relativ schnell hatte uns die Faszination Pamir wieder in ihren Bann gezogen. 

    Karge Gebirgsketten und vertrocknete Täler schimmerten in allen erdenklichen Grau- und Erdtönen. Ein strahlend blauer Himmel rundete das Gesamtbild perfekt ab. Weder auf unserer Seite des Flusses noch auf der anderen waren Siedlungen zu erkennen. Dieser Abschnitt des Tals schien fast völlig unbewohnt. Nur der vertraute afghanische Trampelpfad begleitete uns. Zwar war er nicht so halsbrecherisch wie vor einigen Tagen, doch war er durch die sandigen Ebenen und kleinen Hügel gut zu erkennen. Hin und wieder erspähten wir zerfallene Stallungen und kleine Rundbauten, die wohl historische Gräber waren. Adler und Geier flogen hoch über uns und scherten sich nicht um die von Menschenhand gezogene Grenze. 

    Als unsere Blicke den majestätischen Greifvögeln folgten, entdeckten wir eine kleine Karawane auf der anderen Seite. Die Tiere sowie deren menschliche Begleiter waren von dem sandfarbenen Hügel über den sie schritten kaum zu unterscheiden. Bepackt mit Holz, Stoffen und kleinen Öfen wippten die Höcker der Wüstenschiffe mit jedem Schritt leicht hin und her. Jungtiere rannten verspielt hinten drein. Nachdem die Karawane den ersten Hügel passiert hatte, kamen mit Stroh und Säcken bepackte Grautiere zum Vorschein. Es war keine kleine Karawane, jedoch wurde sie nur von drei Männern begleitet die energisch die Esel antrieben. Eine ganze Weile beobachteten wir das Treiben bis Mensch und Tier aus unserem Blickfeld verschwanden. 

    Nur wenige Minuten später hatten wir eine weitere Karawane eingeholt, die sich absolut in allem von allen Karawanen, die wir bis jetzt gesehen hatten unterschied. Wären wir nicht im Auto gesessen, hätten wir schwören können in einem anderen Jahrhundert angekommen zu sein. Die Hufen der bedächtig dahinziehenden Packtiere wirbelten mit jedem Schritt losen Sand und Staub auf. Die dunklen zottigen Tiere hoben sich zum hellen Hintergrund scharf ab und ihr buntes Zaumzeug sowie die Reiter bildeten einen farbenfrohen Kontrast. Verhüllte Frauen in granatroten Gewändern ritten auf den riesig wirkenden Yaks. Obwohl wir weit weg waren und der Fluss uns von ihnen trennte, hatten wir das Gefühl, das Atmen der Tiere sowie die stimmen der Menschen zu hören. Die Zeltstangen der Jurten wippten bei jeder Bewegung und neben den Zeltplanen konnte man Säcke mit Vorräten sowie Feuerholz auf den Rücken der Tiere erkennen. Einige der Männer ritten auf Pferden oder liefen neben der für uns so fremd wirkenden Herde her. 
    Es war ein bezaubernder Anblick, der uns zugleich auch daran erinnerte wie hart und entbehrlich wohl das Leben der Menschen in dieser Region sein muss. Es war der letzte Blick auf unserer Reise durch Tajikistan, den wir von Afghanistan erhaschten. Obwohl die meisten Menschen ein negatives Bild von diesem Land haben, hat uns doch die Strecke entlang des Vakantals Lust auf mehr gemacht. Zwar werden wir auf dieser Reise keinen Abstecher nach Afghanistan einplanen, jedoch würden wir trotzdem gerne irgendwann dieses Land mit seinen Bergen und kulturellen Schätzen erkunden. 

    Wir erreichten einen Kontrollpunkt, wo unser Permit aus Dushanbe geprüft wurde. Ab hier wollten wir von der Hauptroute abweichen und einen kleinen Umweg zum See Zorkul machen. Um auf den richtigen Weg zu gelangen, mussten wir einen Militärstützpunkt passieren. Selbstverständlich wurden wir erst einmal angehalten. Zu 100% sicher, dass wir das richtige Permit haben (schließlich hatten wir in Dushanbe fünf Leuten 1.000 mal unsere Route gepredigt und auch immer das OK bekommen) zeigten wir die Dokumente dem diensthabenden Offizier. „NO“! 

    Völlig enttäuscht stellte sich nun heraus, dass wir für dieses Gebiet keine Genehmigung hatten. Trotz der mündlichen Zusage des Beamten des OWIR Office stand auf unserem Dokument diese Region nicht drauf. Da wir trotzdem unsere Route wie geplant fortsetzen wollten, fingen wir natürlich an zu diskutieren. Mittlerweile waren wir echt gut darin. Zwar dauerte die Diskussion eine Stunde und am Schluss hatten wir acht Leute, die sich rege daran beteiligten, aber wir bekamen ein leises verstohlenes OK, das mit einigen Auflagen verbunden war. Wir würden einen bewaffneten Soldaten mitnehmen müssen, durften keine Fotos machen und mussten innerhalb von drei Stunden wieder am Stützpunkt sein. Unsere Pässe und das Permit müssten wir am Stützpunkt zurücklassen. Wir überlegten eine Weile. War die Strecke von hier zum See und zurück machbar in dieser Zeit, würde sich der Stress lohnen?

    Während wir überlegten fiel uns auf wie nervös und unglücklich der Offizier auf einmal war. Eine Stunde lang war er der Einzige, der uns ohne Permit vehement die Weiterfahrt verboten hatte. Nun, nachdem er den anderen sowie uns nachgegeben hatte, stand er abseits und blickte ins Leere. Ich sprach mit ihm eine Weile und er bat uns einige Male vor Sonnenuntergang zurück zu sein und alles reden dem Soldaten zu überlassen. Er entschuldigte sich für die Umstände und das falsche Permit, welches uns von der Behörde ausgestellt wurde. Irgendwann fragte ich direkt, ob es für ihn Ärger geben könnte. Zuerst wich er aus – als Tourist sollte man die Gelegenheit bekommen die schöne Landschaft um den Zorkul bestaunen zu können. Erst als nun Niko nun ebenfalls fragte, erzählte er uns, dass es ihn seine Position kosten könnte, wenn herauskommt, das wir ohne Permit in dieser Gegend seien. Daher die Auflage unsere Pässe und Dokumente bei ihm zu lassen. Er machte dabei einen ehrlichen und aufrichtigen Eindruck und wir kamen ins Grübeln. War es das wirklich wert? 

    Wir trafen eine Entscheidung. 

    Die Verabschiedung von den Soldaten war herzlich und obwohl der Offizier uns mehrmals bat den See zu besuchen und anschließend im Stützpunkt zu nächtigen war er sichtlich erleichtert, als wir jedes mal dankend ablehnten. Wir setzten unsere Reise somit auf der Hauptstraße durch das Pamirgebirge fort. Nutzten die neugewonnene Zeit für eine kleine Wanderung bevor wir am Zufluss des Yashikul-Sees ein nettes Plätzchen fanden an dem wir ausspannen wollten. 

    Unsere ursprüngliche Idee war es, am Ufer des Sees unser Lager aufzuschlagen, ein kühles Bad zu nehmen und am Nachmittag die Seele baumeln zu lassen. Da der See jedoch zum größten Teil ausgetrocknet war und sein Ufer mit einer losen Salzschicht lockte,. Die uns verdächtig an unseren Ausflug in den Aralsee erinnerte, kehrten wir um und hielten an dem erstbesten Platz an dem kleinen Flüsschen. Es war traumhaft! Der Fluss spendete so viel Wasser, dass um seinen Lauf eine kleine Wiese wachsen konnte, schnell packten wir unsere bereits eingestaubten Campingstühle aus, genossen das Gras unter unseren nackten Füßen und die warmen Sonnenstrahlen. So muss wohl das Rentnerleben sein. 

    Unsere Augen wussten teils nicht wo sie zuerst hinschauen sollten. Auf die majestätischen Berge, die am Horizont immer noch wie Himmelsriesen wirkten, auf die Reste des zweiten Sees, der von der Ferne einladend in einem kräftigen Königsblau glitzerte oder auf den Fluss mit seinem umgebenden Grass, der sich durch das Tal wie eine Riesenanakonda schlängelte. Soviel Ruhe und Abgeschiedenheit hatten wir seit dem Anzob-Tal nicht mehr genießen können. Doch dieser Luxus hielt nicht lange. 

    Ich versuchte mich gerade in der Kunst des Angelns als ein nagelneuer Landrover Evoque in unser Tal abbog. Nicht mal am Ende der Welt war man vor Touris sicher! 

    Der kleine Möchtegern-Geländewagen mit spanischem Kennzeichen hielt an. Ein nettes Pärchen saß darin und fragte nach heißen Quellen, die hier in der Nähe sein sollten. Zwar konnten wir keine Auskunft über die Quelle geben, jedoch teilten wir den Beiden mit, dass nach der Talbiegung in 600m der Weg in einem ausgetrockneten See endete. Für die Quellen müssten sie wohl den Weg über das Plateau einschlagen. Der Evoque setzte seinen Weg im Tal fort und wir beide nahmen unsere Tätigkeiten (angeln und faulenzen) wieder auf mit dem Wissen, dass die Spanier in den nächsten Minuten wieder auftauchen würden. Es verging eine Weile, doch nichts rührte sich. Ich musste schmunzeln. 

    Waren wir in den letzten Tagen so alt geworden, dass wir den Weg nicht sahen oder gar zu argwöhnisch, da wir die Fahrt am See entlang mieden? Ebenso bekam ich ein schlechtes Gewissen, da meine Aussage zwecks Sackgasse komplett falsch gewesen sein musste. Meine Angelversuche waren kläglich und anstatt Fische bekam ich nur Gras oder Algen an den Hacken. Langsam wurde klar heute wird es keinen Fisch zum Abendessen geben. Niko holte daher unser Gemüse aus dem Auto und gesellte sich zu mir ans kühle Nass. 
    Ich konnte es immer noch nicht glauben, hatte der SUV tatsächlich einen Weg gefunden, der uns verborgen blieb? 

    N: „Du wirst schon sehen, die stecken bestimmt im Schlamm fest“ 
    D: „sollten wir dann nicht mal nachschauen?“ 
    N: „Nö, die wissen ja wo wir sind, wenn sie Hilfe brauchen!“ 

    Kaum verhalten Nikos Worte, kam ein Mann aus der Richtung in die der SUV eine Stunde zuvor gedüst war. Nikos süffisantes Grinsen in dem Augenblick werde ich wohl nicht mehr vergessen. Leicht geknickt und mit einer berauschenden Laune lernten wir Boris kennen. 

    Faszinierend wie Männer doch reagieren, wenn ihre Fahrkünste nicht so wollen wie sie sollten. Kennen wir auch, gell Schatz? 

    Wir räumten zusammen und fuhren mit Boris die letzten paar Meter zum See. Schön im feuchten Schlick steckte der Kleine fest und wir mussten schon fast die Hände vor den Augen zusammenschlagen. Sorry Boris, aber uns ist bis heute ein Rätsel wie Du diese Meisterstück zustande gebracht hast. 

    Wir begutachteten die Situation. Helena hatte während Boris Abwesenheit fleißig gegraben und ihr sonniges Gemüt vereinfachte die Lage ungemein. 

    Wir standen nun vor einer kleinen Herausforderung. Der Evoque war schon ziemlich weit auf dem weichen und feuchten Untergrund gefahren bis er eingesunken war. Hinzu kam, dass er eine Kurve eingeschlagen hatte und nun schief zum eigentlichen Ufer stand. Ravty war zudem definitiv zu schwer um auch nur ein wenig auf dem Seegrund zu fahren. Zum Glück haben wir zwei lange Abschleppseile dabei, die hier gerade so reichten damit wir den SUV wenigsten nicht ganz so schief bergen konnten. Noch etwas graben, Hölzer drunter und wir legten los. Doch was sich erst einfach darstellte erwies sich dann doch etwas komplexer. 
    Ravty war zu schwer. 
    Zwar hatten wir bereits alles mögliche aus unserem Kleinen ausgeladen um das Gewicht zu reduzieren, trotzdem gab der Boden am Rand immer wieder nach. Er sträubte sich, auch nur ein bisschen Grip zu leisten. Weitere Versuche mit und ohne Sandbleche scheiterten ebenfalls. Zeit für eine kurze kreative Pause. Boris wurde etwas ungeduldig. Vermutlich sah er sich schon dabei wie er tagelang sein Auto ausgraben musste. 

    Niko war ebenfalls nicht begeistert, immerhin bestand für uns ebenfalls die Gefahr uns einzugraben und hier erstmal festzusitzen. Da wollte er sich nicht hetzen lassen. Wir zogen Ravty die Schneeketten auf, legten erneut die Sandbleche unter die Hinterreifen, buddelten etwas am Evoque rum und zogen das gute Stück mit Schmackes heraus. Nach vollendeter Tat stopften wir alles wieder ins Auto und fuhren zurück zum Fluss. Boris und Helena folgten uns später, sie mussten erst ihren Haushalt wieder einpacken.


    Die kurze Zeit alleine nutzten wir für eine schwäbische Kehrwoche. 

    Der Schlick hing noch voller Begeisterung in unseren Schneeketten und Radkästen, unser Wohnzimmer war durcheinander gewirbelt und wir selbst hatten eine Katzenwäsche ebenfalls nötig. 

    Ein entspannter Tag sah anders aus. 

    Helena und Boris gesellten sich zu und. Bei einem gemütlichen Lagerfeuer ließen wir den Tag ausklingen und als ob es die Beiden gewusst hätten, gab es neben den saftigen Gemüsespießen, Pasta mit Fisch. Die Sardinen waren in der Dose auch nicht mehr so flink wie ihre Artgenossen im Fluss. Danke ihr zwei für das leckere Mahl! 

    Lautes Schnaufen und leise Schritte weckten uns am nächsten Morgen. Eine Herde Esel war vorbeigekommen. Die Tiere begutachteten neugierig wer und vor allem was sich in ihrem Revier breit gemacht hatte. Besonderes Interesse galt dem Zelt der beiden Deutschen, die aus ihrer Wahlheimat Spanien eine Weltreise begonnen hatten. 
    Nach einem gemeinsamen Frühstück verabschiedeten wir uns vorläufig. Helena und Boris wollten sich noch etwas frisch machen und da wir bis Murgab die selbe Strecke hatten, war es klar, dass wir uns öfters treffen würden. Niko und ich durchstreiften den Nationalpark in dem wir uns befanden, genossen die Landschaft in vollen Zügen und beobachteten reiherartige Vögel, die sich in dem Rest des Sees tummelten. Große Ziegenherden durchstreiften das Nachbartal. 
    Über das Plateau ging es in ein weiteres Tal, das sich hier und da mal öffnete, kurzweilig von einem kleinen Bach begleitet wurde um dann nach einer Talenge den Blick auf eine klägliche Wiese freizugeben. 

    Und dort standen sie! Yaks! 

    Die zottigen Tiere waren nun zum Greifen nah. Umgeben von den grauen Felsen grasten sie friedlich und wirkten wie Lebewesen aus einer anderen Zeit. Ein großes steingraues Exemplar hob den Kopf und schaute uns an. Von jetzt auf gleich setzte sich die Herde in Bewegung. Kleine Steine und Staub wurden durch die Luft geschleudert, die wilden Zotteln peitschten im Rhythmus der kräftigen Körper und die Masse aus beigen, grauen sowie schwarzen Yaks stobte davon. Mist, wir hatten die Gelegenheit für ein paar Schnappschüsse verpasst. Naja, mussten nun eben die Murmeltiere fürs Fotoalbum herhalten. Die fetten rostfarbenen Nager hatten die wilde Flucht aus sicherer Entfernung beobachtet und waren nun wenig erfreut unter „Beschuss“ zu geraten. 

    Während wir die Tierchen mit unserer Anwesenheit belästigten, tauchten weitere Yaks auf. Wie es schien hatten einige Zottels wohl die Abreise ihrer Gruppe verpasst. Zwar waren wir nicht mehr so nah dran, für das ein oder andere Foto hat es gereicht. Zudem war es amüsant zu sehen wie die einzelnen Yaks nun versuchten im Sprint den Anschluss zur Herde nicht zu verpassen. Natürlich immer mit hoch erhobenen Schwanz, der mit dem langen Fell aussieht wie ein Schweif. Ein Anblick, der uns immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Wir ließen die Tiere samt Wiese hinter uns und bogen in eine kleine Ausbuchtung ab. Hier sollte laut Karte ein Geysir zu finden sein, doch was wir fanden war kein wasserspuckender Krater sondern ein kleiner Evoque, der mit seiner Schnauze auf ein in den Boden eingelassenes Rohr zeigte. 

    Wir freuten uns riesig Boris und Helena wiederzusehen. Doch wo war der Geysir? Vielleicht wurde an dem natürlichen Erdloch nachgeholfen und das Rohr war die Antwort auf unsere frage. Immerhin hatten wir solche glorreichen baulichen Veränderungen bereits in der Slowakei gesehen. Fakt war, dass aus dem rostigen Rohr Wasser sprudelte und im Umkreis mehrere Keramikscherben zu finden waren. Trinkwasser? Ich probierte von der „Quelle“. Es war köstliches eisenhaltige Mineralwasser das sogar mit natürlicher Kohlensäure angereichert war. Das Rohr war genauso breit, dass wir eine Flasche hineinbekamen und so füllten wir knapp sechs Liter ab. 

    Nach diesem spektakulären Naturereignis fuhren wir gemeinsam ein Stück, trennten uns erneut um uns an diesem Tag immer wieder zu begegnen. Wieder zurück auf dem Highway hielten wir im nächsten Dorf an um etwas Brot zu besorgen, doch im gesamten Ort konnten wir keinen einzigen Laden finden. Wir fragten bei Einheimischen nach einer Bäckerei bzw. einem Laden. Ein älterer Herr kam zu uns und schenkte uns einen ganzen Leib Weißbrot. Eine nette Geste und obwohl man mit dem Brot jemanden hätte erschlagen können, es schmeckte zudem noch wie ein alter Sack voll Feuchtigkeit, hoben wir es auf. Immerhin wussten wir nicht, wann wir wieder Brot kaufen konnten. Wir verbrachten eine Weile im Ort und beobachteten die Frauen und Kinder wie sie ihre Teppiche auf dem Highway wuschen. Die größeren Kinder versuchten derweil die Lkws davon abzuhalten über diese drüber zu fahren. 

    Eine Gruppe kasachischer Motorradfahrer stoppte ebenfalls und wir tauschten ein paar Worte. Am Nachmittag erreichten wir Murgab, die größte Stadt auf dem Weg nach Kirgistan in dieser Gegend. Gleich am ersten Lebensmittelladen trafen wir wieder auf unsere Wahlspanier, die sich in Murgab traditionelle Socken stricken ließen. Da wir von Stricken und Socken keine Ahnung hatten, zogen wir es vor den hiesigen Bazar zu besuchen. Mitten in der Stadt reihten sich ausrangierte LKW-Auflieger, Frachtcontainer und Blechhütten aneinander. Die Auswahl der angebotenen Waren hielt sich in Grenzen, doch fanden wir Eier, Tomaten, Kartoffeln, schmackhaftes Fladenbrot und Joghurt. 

    Dabei war der Kauf des Joghurts ein Highlight für uns. Zwei Damen verkauften in einer Betonjurte diverse Milchprodukte. Von Schaf, Ziege und Yak konnte man von Milch über Frischkäse bis zum Hartkäse alles erwerben. Wir warfen einen Blick in die Jurte. Ein süßlich-stalliger Gestank schwappte uns entgegen und trieb uns etwas angewidert wieder hinaus. Doch die beiden Damen hatten uns schon gesehen, hechteten uns hinterher und ließen ihren kompletten tadschikischen Charme spielen. Es wirkte, denn plötzlich standen wir beide an der selbstgebastelten Theke und probierten von allem was uns die Marktfrauen anboten. Von lecker bis eklig schafig gab es alles. Der Joghurt hat es uns schlussendlich angetan und wir kauften gleich eine ganze Flasche davon. Nun begann eine kleine Fotosession bei der sich die beiden Damen gekonnt in Szene setzten. Wir lachten und verbrachten viel Zeit in dem Laden bevor wir langsam aufbrachen und Murgab verließen. 

    Unterwegs trafen wir erneut auf Boris und Helena. Schnell beschlossen wir auch den Abend gemeinsam zu verbringen und übernachteten an einem alten Schäferstand zwischen den Seen Sharkul und Rangkul. Es war eine schöne und lustige Zeit. Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns ausgiebig. Die Zwei wollten heute zurück nach Kirgistan und so trennte sich langsam unsere gemeinsame Route.

    Get Adobe Flash playerAn diesem Tag erreichten wir den höchsten Pass seit unsere Reise in München begann. Der Akbaytal-Pass mit seinen 4.669m war spannend und zum ersten mal merkten wir, dass Tibet und seine Pässe eine Herausforderung für Ravty werden würden. 
    Schon ab 4.500m spürten wir, dass Ravty nicht wirklich viel von der Höhenluft hier oben hielt. Je höher wir ihn trieben, desto größer wurde sein Protest, den er mit rußigen Rauchwolken und Powerverlust unterstrich. Zwar wussten wir, dass sich die Höhenluft oder besser gesagt der veränderte Luftdruck auf die Einspritzpumpe und somit auf die Treibstoffverbrennung auswirkt, doch rechneten wir mit diesen Problemchen erst in Tibet, also über 5.000m. 

    Vor unserer abreise hatten wir uns schön von unserem Werkstattgott Siggi fachmännisch erklären lassen, wie man dieses Problem beheben kann. Ganz simpel an einer Schraube drehen, doch wollte uns nicht mehr einfallen, wie dies ging und wo diese verdammte Schraube war. Ein klassischer Fall von Datenverlust oder gar Demenz? 
     Wie dem auch sei. Wir nahmen keine Veränderungen an unserem Liebling vor. Stattdessen trug Niko ihn behutsam über die knapp 4.700m bis sich Ravty 400m tiefer wieder gefangen hatte und schnurrte als ob nichts gewesen wäre. Braves Auto! 

    Der Akbaytal-Pass lag wenige Kilometer hinter uns als zwei Motorradfahrer winkend und mit Lichthupe entgegenkamen. Wir stoppten. An ihren Bikes war zu erkennen, dass es sich um Ausländer handelte – um Franzosen um genau zu sein. Doch erst als beide ihre Helme abnahmen fiel es uns wie Schuppen von den Augen. Yannick und Victor – die Hälfte der französischen Familie vom Iskanderkul. 

     „RAVTY“ „RAVTY“ (gesprochen mit franz. Akzent: Raftiii) plapperten sie los. 
    „We so happy to see you“ (ich liebe Yannicks französischen Akzent) 

    Es war kaum zu übersehen und überhören wie glücklich beide waren uns getroffen zu haben. Yannick und Victor erzählten uns ihre Geschichte und in dieser Situation war ihre Freude nachvollziehbar. 

    Selbstverständlich boten wir unsere Hilfe an, nahmen die wichtigsten GPS-Daten auf und machten uns auf den Weg. Vater und Sohn fuhren weiter nach Murgab. Auf dem Weg zum Karakol-See wunderten wir uns sehr über die kasachische Reisegruppe, die uns am Vortag und am Pass begegnet waren. Die Gruppe, bestehend aus 7 Bikes und einem Begleitfahrzeug, hatte die Hilfsanfrage unserer beiden Freunde abgelehnt und darauf verwiesen, dass zwei Touris in einem gelben Landcruiser auf dem Weg seien. Bei dieser Kombination stiegen die Franzosen wieder auf ihre Bikes und waren erleichtert, als wirklich Ravty am Horizont auftauchte. Wir konnten es nicht glauben, dass eine Reiseagentur mit Kenntnissen des Landes es ablehnte auch nur irgendwie zu helfen – immerhin hätten sie auch telefonisch weitere Maßnahmen einleiten können. 

    Gott sei Dank war niemand verletzt und Zeit spielte in diesem Fall keine Rolle. Wir erreichten die ersten GPS-Koordinaten und bogen kurz vor dem Karakol in die Ebene ab. Nach einer Weile fanden wir Reifenspuren, die eindeutig dem großen MAN zuzuordnen waren. Je nach Bodenbeschaffenheit war sie gar nicht bis extrem deutlich zu sehen. Yannik hatte uns kurz und bündig erzählt was sich zugetragen hatte und wir waren gespannt was uns in den Bergen erwarten würde. Trotz seiner Schilderung konnten wir uns die Sache nicht wirklich vorstellen und so fantasierten wir die heißesten Stories, die uns in den Sinn kamen. Die nächsten Koordinaten hatten wir erreicht. 

    Wir bogen vom breiten Flusstal in ein schmales Seitental ab, dass gleich zu Beginn anstieg. Man erkannte sehr gut die extrem tiefen Spuren, die der MAN hinterlassen hatte, als er sich durch das sumpfige Flussufer kämpfen musste. Gut, dass wir mit unserem Kleinen flexibel sind und auch kleinere bzw. engere Wege nehmen können. Durch den Sumpf und die Fahrspuren hätten wir es nicht geschafft. 

    Wir waren nun schon gute drei Stunden unterwegs, als unser Navi die Koordinaten für den 16-Tonner hinter der nächsten Biegung anzeigte. Die Spannung stieg! Vor uns breitete sich eine überwältigende Hochebene aus die von mächtigen 5.000 umgeben war. Dort stand er nun. 
    Völlig eingegraben in einer atemberaubenden Bergwelt. Ein kleiner gelber Klecks auf einem grünen Streifen umgeben von steinigem Grau. Was für ein idealer Ort für grandiose Wanderungen und Fotos.

    Als wir ankamen war niemand zu sehen. Wir parkten Ravty etwas abseits und stampften durch den kleinen Bergbach in dessen Delta der Truck versunken war. Muriel sah uns und öffnete verwundert die Tür ihres Wohnaufbaus. Sicherlich hatte sie mit vielem gerechnet jedoch nicht mit uns. Wir setzten uns erst mal und redeten eine Weile. Die Franzosen hatten Glück im Unglück. Zwar steckten sie Zweifels ohne inklusive Bodenplatte im schönsten Schlamm fest doch sie hatten sich wenigstens vor einer kleinen Yakfarm in diese Lage gebracht. 

    Seit nun schon zwei Tagen saßen sie fest und genossen die Gastfreundschaft der Bauernfamilie auf 4.200m. Yannick und Victor fuhren an diesem Tag los um Hilfe zu holen. Victor sollte heute noch mit Schaufeln aus Murgab zurückkommen. Yannick war auf dem Weg nach Dushanbe um das Visa für Indien und Pakistan abzuholen und im Notfall die französische Botschaft aufzusuchen. 
    Es war gut, dass wir hier waren. Muriel war ziemlich aufgewühlt und alleine mit Robin konnte sie nur dasitzen und abwarten. Es wurde Zeit etwas zu tun um beide abzulenken. 

    Ich schaute aus dem Fenster direkt auf den Bach der nur wenige Meter vom MAN entfernt wie ein Fächer breiter wurde. Mir kam eine Idee! „Sollten wir nicht versuchen den Bach umzuleiten und damit den Truck trockenlegen?“ Niko war für die Idee sofort Feuer und Flamme. Wir erklärten unser Vorhaben. Mit zwei kleinen Schaufeln und einer verbogenen Schneeschippe bewaffnet legten wir los. 

    Vom Ende des MAN an begannen wir einen Kanal auszuheben und mit Steinen zu befestigen. Trotz der dünnen Höhenluft, die extrem auf unsere Kondition schlug, schafften wir es den Bach abzufangen und am Truck vorbeizuleiten. Mittlerweile war Victor mit Schaufeln und Harken zurück. Gemeinsam machten wir uns daran das Ungetüm auszugraben. Reifen für Reifen arbeiteten wir uns voran, doch das viele Wasser, das sich immer noch im Erdreich befand, machte uns zu schaffen. Immer wieder füllten sich die ausgehobenen Löcher mit der braunen Brühe, die das Erdreich so aufweichte, dass es immer wieder abrutschte. Ein paar Reifen bekamen wir halbwegs frei um einige Steine unter sie schieben zu können, aber es war nicht genug. Der komplette Unterboden mit all seinen Winkeln und Kanten saß fest im Schlamm. Wir mussten auch hier anfangen zu graben, wenn wir den MAN jemals hier raus bringen wollten. Es war eigentlich klar, dass wir fünf alleine Tage brauchen würden um auch nur annähernd genug Erde abzutragen. 

    Mir fiel das Gespräch mit Eric und Milad im VictoryPark ein – hatten beide nicht stolz erzählt, dass sie überall in Tadjikistan ein „Rescue-Team“ organisieren könnten? Zum Glück hatten wir Telefonnummern ausgetauscht und Muriel ein Satellitentelefon im Fahrzeug. Eric erreichten wir leider nicht, doch Milad ging nach einigen Versuchen ans Telefon. Niko erklärte was passiert war und Milad legte sofort los. 

    Am späten Abend hatte er alles organisiert, doch unser Aufenthaltsort stellte für das Rescue-Team ein Problem dar. Mit GPS-Daten konnte niemand etwas anfangen. So versuchten wir anhand von Landkarten und markanten Bergen den Weg zu uns zu beschreiben. Damit der Trupp nicht ins falsche Tal abbog wollte Niko am Fluss im Tal auf sie warten. Milad bestätigte kurze Zeit später, dass der Trupp morgen früh um 8Uhr am Treffpunkt sein würde. Mit der Aussicht auf einen ordentlichen Truck um den MAN zu bergen konnten wir beruhigt unsere müden Glieder ausstrecken und schlafen. 

    Um 5Uhr klingelte unser Wecker. Die Sonne ging auf und leichter Frost bedeckte die Landschaft als Niko 30 Minuten später losfuhr um rechtzeitig am vereinbarten Treffpunkt zu sein. Ich schlenderte etwas umher, beobachtete die Bauern, die bereits ihre Yaks auf die Weiden trieben und ging einzelnen Gedankenfetzen nach. Knapp 3-4 Stunden später tauchte Niko wieder auf. Ihm folgte ein kleiner russischer GAZ. 
    Als wir den kleinen LKW sahen, glaubten wir nicht, dass dieser in der Lage sein sollte den 16 Tonnen schweren MAN zu bergen. Immerhin war der MAN über 5mal schwerer als der GAZ. Niko dachte wohl das selbe als er ausstieg und uns ansah. 

    Der GAZ brachte sich erst mal in Position um dann sechs erwachsene Männer aus seiner Fahrerkabine zu entlassen. War wohl eine sehr kuschelige Anfahrt hierher. Keiner der Männer konnte sich ein Schmunzeln verkneifen als sie den Megatruck sahen. Diese Geschichte wird sicherlich in Murgab noch viele Jahre erzählt werden. Aber jetzt hieß es erst einmal anpacken. 

    Wir baten die Männer mit uns noch etwas zu graben bevor wir den ersten Bergeversuch starteten. Doch die Tadschiken hatten erst mal keine Lust sich in den Schlamm zu stürzen. Sie hofften auf einen einfachen und schnellen Job. So spannten sie ein altes Drahtseil zwischen beide LKWs und versuchten gewaltsam den MAN zu befreien. Immer wieder mussten sie den kleinen GAZ umpositionieren, der sich bei jedem versuch eingrub und sich wie ein Pferd aufbäumte. Die Räder drehten pausenlos durch. Metallische Schreie kamen aus dem Getriebe und es roch verdächtig nach gebrutzelter Kupplung. Doch die Einheimischen wollten immer noch nicht graben. Zuerst mussten alle möglichen Varianten ausprobiert werden und davon gab es in Tadjikistan einige. 

    Niko übernahm das Ruder und so griffen wir dann doch zu den Schaufeln, Spaten, Harken und Schöpfern. Wie kleine Ameisen wuselten wir zu elft herum und man hatte das Gefühl als würden wir den ganzen Berg umgraben. Viele Versuche scheiterten und die optimistische Stimmung kippte langsam. Mittlerweile war es ziemlich ruhig geworden und von sechs Einheimischen arbeiteten maximal zwei gleichzeitig. Da kam es sehr gelegen, dass die Bauernfamilie zum Mittagessen einlud. Serviert wurde gekochter Reis in warmer Yakmilch mit einem ordentlichen Klecks geschmolzener Yakbutter, dazu gab es Brot und Tee. Gestärkt ging es wieder zurück an die Arbeit. 

    Während ein Teil grub, ein weiterer Steine sammelte um den GAZ mehr Gewicht zu geben, versuchte sich der Rest in kreativen Ideen. So sollte nun Ravty und der kleine Militärbus des Bauern zwischen die beiden LKW gespannt werden. Der Bus fiel sofort aus der Planung, da er bereits vor zwei Tagen vor den MAN gespannt wurde und es ihm dabei das komplette Getriebe zerlegte. Den Bus als mahnendes Beispiel brachten wir erst einmal Ravty in Sicherheit. Auf mutwillig zerstörte Zahnräder hatten wir keine Lust. Wir gruben lieber. 

    Nachdem alle Reifen zum größten Teil freigelegt waren, hängten wir die LKWs wieder zusammen. Den Versuch den MAN mit seiner eigenen Winde zu befreien funktionierte leider ebenfalls nicht. Wie ein Spielzeug zog der MAN den GAZ zu sich. Also musste wieder die härtere Hauruckmethode her. Also spannten wir abwechselnd den GAZ vor und hinter den MAN, damit wir die Reifen und die Bodenplatte besser freibekamen. Es funktionierte. Der MAN bewegte sich nun einige Zentimeter. Hinter dem Truck hatten wir einen besseren Boden, der mehr Grip gab. So spannten wir den GAZ ein letztes Mal hinter den Truck. Dieses Mal wollten die Tajiken es wissen. 

    Beide Fahre quälten die Trucks bis mit einem sanften Schmatzer der MAN in Bewegung kam. Beim Rückwärtsfahren viel er zwar noch einmal mit der Schnauze in die tiefen Löcher, aber wir hatten es gemeinsam geschafft. Der MAN war wieder fahrbereit. 

    Unseren Franzosen fiel sicherlich ein riesen Stein vom Herzen als ihr mobiles Haus endlich aus den Fängen des Bachs befreit bzw. gerissen wurde. Wir packten alles zusammen und fuhren gemeinsam den MAN ins Tal. Das Einzige, was von diesem Vorfall noch übrig blieb war ein Megaloch, welches sich nun langsam mit Wasser füllte. In ein paar Stunden könnten sicherlich ein paar Yaks ein erfrischendes Bad im neuen Naturpool nehmen. 

    Die Überquerung des großen Flusses im Tal war für Muriel, die den Truck fuhr unmöglich. Die letzten Tage hatten extrem an ihrem Nervenkleid gezehrt und doch musste sie ohne Yannick stark für Victor und Robin sein. Jetzt, nachdem die Reise wieder weitergehen konnte, bröckelte es und man merkte wie erschöpft sie war. Die Tajiken halfen uns noch den Truck sicher und unbeschadet die schmale und steile Auffahrt aus dem Fluss zu meistern. Der erste Versuch durch den Sumpf endete beinahe mit einem erneuten Festsitzen des schweren Trucks und so war der schmale Weg die einzige Möglichkeit. 

    Wir verabschiedeten uns kurz darauf von unserem „Rescue-Team“ und teilten unsere Gruppe auf. Niko am Steuer des MAN mit den Jungs und wir Mädels mit Ravty. Das Wetter sollte sich laut den Einheimischen in wenigen Tagen ändern und da Yannick erst in drei Tagen wieder hier sein würde, fuhren wir bis knapp zur Hauptstraße, so dass es keine Probleme mit Flussdurchquerungen geben sollte falls es regnete. Wir alle waren froh wie der Tag verlaufen war. Erschöpft und glücklich gingen wir alle zu Bett. 

    Es war fast ein Wunder, dass wir in ungefähr sieben Stunden solch einen Koloss geborgen hatten und dass wir eine Woche zuvor die richtigen Leute getroffen hatten, die uns von Dushanbe aus unterstützen konnten. Danke Milad für Deine Hilfe! 

    Wir frühstückten gemeinsam bevor wir uns verabschiedeten. Die Zollpapiere von Ravty waren am Vortag verfallen, daher fuhren wir nun auf direktem Weg nach Kirgistan. Wir hatten keine Lust auf eine Strafe oder ähnliche Geschichten wie in Turkmenistan und so hofften wir, dass wir einen entspannten Grenzler antreffen würden. 
    In diesen Tagen hatte wohl jemand ein offenes Ohr für uns, denn unsere Ausreise aus Tadjikistan ging fix und ohne Probleme. Noch ein letztes Mal genossen wir die sagenhafte und atemberaubende Berglandschaft dieses wunderschönen Landes.
    Wie ein Schatz aus 1001 Nacht übertrifft dieses kleine Fleckchen Erde mit Leichtigkeit unsere Vorstellungskraft, bringt uns zum Staunen und zeigt das die Natur dort am schönsten ist wo der Mensch nicht eingreift. Get Adobe Flash player 

     

    Wer/Was ist Ravty?

    Ravty steht für unsere Lust nach Reise & Abenteuer. Namensgeber sind unsere zwei Stubentiger Raven & Tyson, nach denen wir unter anderem unseren kleinen, gelben Landcruiser benannt haben. weiter...

    Die Idee

    Ravty´s Blog haben wir ins Leben gerufen um unsere Reiseerlebnisse mit Familie & Freunden zu teilen. Kurz gesagt: Es ist ein virtuelles Fotoalbum und eine etwas modernere Art eines Diaabends ^^

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